Genuss am Gipfel: Spitzenmenüs mit Weitblick
Früher dominierte das deftige Hütten-Einerlei auf der Speisekarte – mittlerweile sind Restaurants in den Bergen zu Feinschmeckerparadiesen geworden, die hochwertige lokale Produkte verarbeiten und auch neue, innovative Ansätze ausprobieren.
20. Januar 2025
© The Chedi Andermatt
Rein wissenschaftlich betrachtet schmeckt man bei Genuss am Gipfel weniger als im Tal – je höher man unterwegs ist, desto mehr verändert sich der Geschmackssinn. Luftdruck und Luftfeuchtigkeit lassen Salz und süße Noten an Kraft verlieren. So weit die Theorie, in der Praxis aber vergisst man solche Dinge hoch oben auf dem Berg sofort. Ein Spitzenmenü mit Weitblick ist ein unvergessliches Erlebnis. Die Sonne strahlt, der Blick auf die alpine Kulisse ist atemberaubend und der Hunger nach einem Tag im Schnee auch entsprechend groß. Berg-Sommeliers wissen ohnehin, welche Weine die perfekten Tropfen für die Höhenlage sind – manche lassen ihre Weine sogar oben im Fass reifen.
Wo früher Deftiges dominierte, ist man mittlerweile auch in den Bergen raffinierter geworden. Shiso, Ponzu, Miso-Hollandaise, Saibling aus der Region – die Spitzenköche Dominik Sato und Fabio Toffolon machen die „Chedi Andermatt“-Gipfelfiliale „The Japanese at Gütsch“ zu einem Erlebnis, das man in einer städtischen Metropole erwarten würde. Dabei ist man auf 2340 Meter Höhe umgeben von den atemberaubenden Bergen der Schweiz. Während man Sushi und Tempura verspeist und Sake trinkt, schweift der Blick auf der Sonnenterrasse auf den Gotthardpass, den Oberalppass und das Urserntal. Es gibt eine offene Küche und einen wärmenden Kamin, die Anreise ist erstaunlich einfach: mit dem Gütsch-Express ab der Talstation Andermatt. Man muss nur vorher in der Online-Reservierung einen freien Tisch ergattern.
© Marcel Hagen
Es geht aber auch noch höher hinaus: Genuss am Gipfel bietet „Maison des Drus“ in insgesamt 18 Restaurants, das schönste liegt auf 3842 Metern mit Blick auf das Montblanc-Massiv. Beim Essen setzt man auf Produkte aus der Region und hausgemachtes Brot. Und natürlich darf Schweizer Käse nicht fehlen – sowie üppige Ciabatta-Sandwiches mit Burrata oder Rohschinken, die man auf die Piste mitnehmen kann.
© Christian Kerber
Ob zum Sektfrühstück mit Räucherfisch oder zum High Tea – im „Crystal Cube“ in Tirol ist immer etwas los. Das markante Wahrzeichen in Serfaus-Fiss-Ladis ist nicht nur bei Skifahrern beliebt. Wer es uriger möchte, sollte sich das „Rifugio Fuciade“ im Herzen der Dolomiten nicht entgehen lassen: Auf 2000 Metern tritt man eine Zeitreise an – mit alten Kachelöfen, viel Holz und einer Sammlung an landwirtschaftlichen Geräten. Küchenchef Martino lässt die ladinische Tradition hochleben, etwa mit herzhaften Knödeln und Teigtaschen; zum Hirschrücken gibt es Apfelpüree, geschmorten Bittersalat und Heu. Polenta in aller Form zieht sich als roter Faden durch die Gerichte, rund 600 Weine stehen zur Auswahl – so kuratiert, damit sie auch in der Höhe nichts an Aroma verlieren. Zum Glück gibt es auch ein paar wenige Zimmer und ein Chalet, um nach dem Genuss am Gipfel satt und glücklich ins Bett zu fallen.
© Forestis
Gipfelrestaurants sind eine feine Sache, man will ja zum Skifahren bestens bewirtet werden. Eine unruhige Angelegenheit ist das ständige Kommen und Gehen aber auch. Um sich ganz aufs Essen konzentrieren zu können, braucht es eine ruhige Atmosphäre. Deshalb ist die Küche im „Forestis“ in Brixen auch nur den Übernachtungsgästen vorbehalten. Wo früher ein Sanatorium stand, ist heute ein Fünf-Sterne-Hideaway, das die Kunst der Einfachheit zelebriert: Das „Forestis“ ist ein Rückzugsort inmitten der Natur, hier diniert man mit Blick auf die Dolomiten. Die große Glaswand im minimalistischen Speisesaal ist wie ein Panoramakino. Roland Lamprechts „Waldküche“ ist radikal lokal – auf die Teller kommt, was die Wälder dieser Region hergeben: Pilze, Beeren, Kräuter, Nüsse – alles, was Lamprecht schon als Kind mit seiner Mutter gern gesammelt hat. Ästhetisch setzt das „Forestis“ auf stilsicheren Minimalismus und Reduktion, was ideal ist, um den Kopf freizubekommen.
Gemütliche Ursprünglichkeit
© Fisser Bergbahnen GmbH, www.foto-mueller.com
Viele möchten aber auch uriges Hüttengefühl nicht missen. Ein gelungenes Beispiel dafür, wie gemütliche Ursprünglichkeit und innovatives Essen zusammengehen, ist das Gourmethotel „Rote Wand“ in Lech, wo sich Winterurlaub, Wellness und Vier-Hauben-Chef’s-Table perfekt kombinieren lassen. Das Designhotel wirkt wie ein alter Gasthof und liegt im ruhigen Stadtteil Zug – und das Essen von Ausnahmekoch Julian Stieger, der bereits im Wiener Spitzenlokal „Steirereck“ Erfahrungen gesammelt hat, ist eine Klasse für sich. In seinem Food Lab macht der Koch spannende Experimente, bei denen auch Gemüse sein geschmackliches Potenzial entfalten kann. Fast könnte man aufs Skifahren vergessen, so viel gibt es in den kreativen Küchen der Berge zu entdecken.
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Dieser Artikel erschien in der Falstaff TRAVEL Ausgabe Winter 2024/25.