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Ein Selfie aus dem All

Die Zukunft des Schwerelos-Urlaubs

19. Februar 2021


Viele träumen davon, die Erde aus dem All zu sehen. Privatreisen zu Weltraumstationen sind nach wie vor extrem teuer, aber in letzter Zeit ist Bewegung in den Markt  gekommen. Ein Blick in die Zukunft des Schwerelos–Urlaubs.

 

Für Romantik ist gesorgt. 16 Mal geht auf der Internationalen Raumstation ISS die Sonne auf und wieder unter. Und das an einem Tag. So hat man alle 90 Minuten ein faszinierendes Abendrot, das sich über den blauen Planeten Erde legt. Welche Urlaubsdestination kann da auch nur annähernd mithalten?

Werden Privatreisen ins All auch bald für Nicht-Milliardäre möglich sein?

Obwohl man natürlich sagen muss: Ein Gläschen Champagner zum Sonnenuntergang ist eine fast unmögliche Herausforderung in der Schwerelosigkeit. Im All gibt es kein Oben und Unten, auch nicht im Glas. Die Kohlensäure verteilt sich unregelmäßig, der Geschmack des Sprudels lässt zu wünschen übrig. Falls man es überhaupt schafft, halbwegs stilvoll zu trinken. Und die Tropfen nicht klebrig durch die Kabine wabern. Abgesehen von diesen praktischen Problemen, herrscht auf der ISS ohnehin striktes Alkoholverbot. Auf die Happy Hour hat man bisher verzichten müssen. Obwohl aus Versuchszwecken im Vorjahr sogar Rotwein eingelagert wurde, um zu sehen, wie sich Schwerelosigkeit auf den Alterungsprozess von Wein auswirkt. Bei einem früheren Experiment ist Whiskey deutlich schneller gealtert.

Romantik-Garantie: 16 Mal geht auf der ISS, der Internationalen Raumstation, am Tag die Sonne auf und wieder unter.

Keine Frage: Urlaub im All ist eine Herausforderung. Zugleich ist es ist ein Traum von vielen, einmal im Leben ins Weltall zu reisen. Unseren Planeten von oben zu sehen, zu erfahren, wie sich Schwerelosigkeit anfühlt. Der Blick auf die Erde muss atemberaubend sein. Aber bisher konnten sich nur eine Handvoll Auserwählte diesen exzentrischen Traum erfüllen. Seit rund 20 Jahren gibt es kommerzielle Flüge für Privatpersonen, die über ausreichend Kleingeld verfügen.Weltraumtourismus ist die exklusivste und sicher auch aufwendigste Form des Reisens, allein, weil man ein längeres Training absolvieren muss, um den Körper an die nicht gerade geringen Herausforderungen im All zu gewöhnen.

Ein Urlaub im Weltall ist etwas, worauf man sich sehr lange vorbereiten muss.

Space Tourist

Die Geburtsstunde des Weltraumtourismus schlug 2001: Der US-Finanzmakler und ehemalige Raumfahrtingenieur Dennis Tito gilt als erster Mensch, der sich diesen nicht ganz billigen Spaß leistete. Sieben Tage und 22 Stunden war er im All, bevor er in der Steppe von Kasachstan wieder landete. Rund 20 Millionen US-Dollar kostete ihn diese Reise. 2006 war die Multimillionärin Anousheh Ansari die erste weibliche Weltraumtouristin. Der Dokumentarfilm „Space Tourists“ (2009) begleitete sie auf ihrem großen Abenteuer. Zeigt, wie man im All schläft, sich die Zähne putzt, auch, wie beengend es auf der Raumstation sein kann. Wie sie ihre Kabine putzt, auf dem Staubsauger reitet und versucht, sich nicht in den vielen Kabeln zu verheddern. Luxus sieht anders aus. Trotzdem wirkt Ansari extrem glücklich, sie strahlt über beide Ohren. Schließlich hat sie sich ihren Kindheitstraum erfüllt. „Space Tourists“ gibt auch Einblicke in die Ausbildung, wie Weltraumtouristen im russischen Sternenstädtchen, einer geschlossenen Siedlung nordöstlich von Moskau, ihr Kosmonauten-Training absolvieren und wie sie ihre individuelle Weltraumnahrung aussuchen. In den letzten Jahren hat sich auf diesem Gebiet einiges getan, die Tubennahrung gehört der Vergangenheit an – heute gibt es gefriergetrocknete Mahlzeiten, von Käsespätzle bis zu Pizza. Was das Herz begehrt. Natürlich geht es auch edler. Mittlerweile hat auch der französische Sternekoch Alain Ducasse 30 Gerichte entwickelt, die gehobene Küche garantieren: von gewürzten Stubenküken bis zu Thunfisch in Zitronensauce. Einziger Nachteil: Sowohl das Appetitgefühl als auch der Geschmackssinn lassen in der Schwerelosigkeit nach.

Die Gourmet-Küche ist auch im All angekommen. Sternekoch Alain Ducasse versorgt die Astronauten mit gehobenen Speisen.

All Inclusive

Weltraumtouristen sind eine Belastung für die Crew, die schließlich zum Arbeiten im All ist. Zugleich finanzieren Privatpersonen mit ihren Reisen wesentliche Teile der Forschung mit, der Start einer Rakete verschlingt Unsummen. Der bislang letzte Schwerelos-Tourist war 2009 der Kanadier Guy Laliberté, der Gründer der Zirkusgruppe Cirque du Soleil. Immer wieder poppten in den vergangenen Jahren spektakuläre Meldungen auf, trotzdem steckt der Space-Tourismus nach wie vor in den Kinderschuhen. 2018 hieß es, der französische Designer Philippe Starck habe ein Weltraumhotel für Superreiche entworfen. Vier bis fünf Millionen Euro soll die Nacht kosten, An- und Abreise inklusive. Lanciert hat das vielversprechende Projekt das texanische Unternehmen Axiom Space. Ab 2022 soll man im exklusivsten Hotel des Universums Urlaub machen können. Das Designer-Hotelmodul soll an die Internationale Raumstation ISS andocken. Dann hätten die arbeitenden Astronauten weniger mit Touristen zu tun – nur die Anreise teilt man sich, dann schwebt jeder seiner Wege. 55 Millionen US-Dollar kosten zehn Tage all inclusive. 15 Wochen Trainingslager mit professionellen Astronauten und der Raketenzubringerflug sind im Preis inbegriffen.

Zukunftsmusik: Der französische Designer Philippe Starck hat ein Weltraumhotel entworfen, mit einem edel verkleideten Schlafraum und einer Glaskuppel, die einen fantastischen Blick auf die Erde ermöglicht.

Die Wohnmodule sind kaum größer als ein Telefonhäuschen, aber luxuriös ausgestattet, wie man in den Entwürfen von Starck sieht, die auf seiner Homepage zu finden sind. Der Schlafraum ist mit cremefarbenem Stoff ausgekleidet, der wie Leder wirkt, neonfarbene Griffe setzen moderne Design-Akzente. Hunderte Nano-LEDs sorgen für weiches Licht, das regelmäßig wechselt. Zudem gibt es einen Bildschirm, um Filme zu schauen und Lieblingsmusik zu hören. Er wollte einen Raum schaffen, in dem sich die Gäste so sicher fühlen wie ein Embryo im Mutterleib, betont Starck, der natürlich auch das passende Space-Gepäck entworfen hat. Für den stilvollen Raumanzug sei Axiom noch im Gespräch mit mehreren europäischen Luxusmodehäusern, heißt es. Starck hat übrigens keine Lust, sein eigenes Hotel jemals zu besuchen. Er ist klaustrophobisch.

360-Grad-Blick auf die Erde

Nach jahrelanger Stagnation scheint jetzt wieder Bewegung in die Space-Reisebranche gekommen zu sein. Gleich mehrere kommerzielle Anbieter buhlen um die Dominanz im All. SpaceX, die Firma des Technikpioniers Elon Musk, möchte Ende 2021 in Partnerschaft mit Space Adventures Touristen ins All schicken. Wie viel der Flug kosten soll, wurde bislang noch nicht öffentlich gemacht. Orion Span möchte ebenfalls in zwei Jahren zwölftägige Aufenthalte auf seiner Aurora-Station anbieten – für zehn Millionen US-Dollar. Aber, allein um auf die Warteliste zu kommen, muss man 80.000 US-Dollar anzahlen. Ein weiterer Anbieter ist Bigelow Space Operations, der aufblasbare Module andenkt, die platzsparend mit den Raketen hochgeschossen werden und sich dann auffalten. Klingt gewagt, wird aber bereits seit 2016 an der ISS getestet. Der Milliardär Robert Bigelow denkt auch bereits daran, mit diesem System den Urlaub auf dem Mond zu ermöglichen. Wie weit die Corona-Pandemie die aktuellen Pläne durchkreuzt, ist freilich noch die Frage. Bigelow Aerospace hat im März 2020 sämtliche Mitarbeiter entlassen. Wie so oft, wenn es um das All geht, hinkt die Realität den Träumen hinterher.

Taxi ins All: SpaceX testet vor dem ersten Flug mit Menschen an Bord nochmal alle Sicherheitssysteme des Dragon-Raumschiffs.

Trotzdem sind sich Experten einig, dass es nicht mehr allzu lange dauern wird, bis die kommerzielle Raumfahrt auch für Nicht-Milliardäre erschwinglich wird. So oder so werden wir auf jeden Fall live dabei sein. Das von Starck designte Hotel hat natürlich Wi-Fi an Bord. Ein Selfie im Weltall? Kein Problem! Angeben ist ausdrücklich erwünscht. Highlight des Hotels ist übrigens eine riesige Kuppel, in der sich maximal vier Passagiere aufhalten können, um einen 360-Grad-Blick auf die Erde zu genießen. Auch das Problem mit der Bar scheint gelöst zu sein. Es gibt mittlerweile Gläser, die es ermöglichen, in Ruhe einen Drink im All zu genießen. So, wie es sich für einen perfekten Urlaub gehört. Die Sonnenuntergänge sind schließlich zu schön, um keine Romantik aufkommen zu lassen.

Das Highlight des Hotels: Eine Kuppel mit Aussicht auf die Erde.

Picture Credits: Getty Images, Axiom Space, NASA/Glenn Benson, SpaceX

Dieser Artikel erschien in der Falstaff TRAVEL Ausgabe Winter 2020.

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