Genuss
© Alex Moling
GourmetKulturTipps

Der Geschmack Südtirols: Genuss am Gipfel

Ob beim Fine Dining oder auf der Hütte: Ohne erstklassige Produkte schmeckt es nicht. Südtirol setzt auf Slow Food, das biologisch ist und aus der Region kommt. So werden kulinarische Traditionen zeitgemäß weitergedacht.

3. August 2023


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Keine andere Region Italiens hat eine höhere Dichte Michelin-Sternen als Südtirol.  © Christian Kerber

Der Begriff Transhumanz klingt zwar wie aus einem Science-Fiction-Film, hat aber uralte Wurzeln. Er bedeutet „auf die Gebirgsweide führen“, man sagt auch Wanderweidewirtschaft. Ganz konkret kann man dieses Prinzip noch in Südtirol erleben, wenn zwischen Weinreben plötzlich Kuhglocken bimmeln. Auf dem Bio-Weingut von Alois Lageder verbringen die jungen Rinder von Alexander Agethle den Herbst und Winter – der Winzer hat kostenlosen Dünger, der Milchbauer Kühe, die bestes Futter bekommen. Durch eine Symbiose ihrer Betriebe entsteht eine regionale Qualität, von der Umwelt, Tiere, aber auch Konsumenten profitieren, weil die Produkte einfach besser schmecken.

Ganzheitliche Landwirtschaft

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Das Essen im „Rifugio Fuciade“  ist von der ladinischen Tradition inspiriert. © Christian Kerber

Tradition dürfe keine Archäologie sein, sie sei fortwährende Innovation, betont Carlo Petrini, Gründer der internationalen Slow-Food-Bewegung. In Südtirol sieht man schön, was damit gemeint ist. Als Alexander Agethle 2000 den Hof seiner Eltern in Schleis – eine Rinderzucht und eine Milchproduktion – übernahm und auf ökologische Landwirtschaft umstellte, waren seine Nachbarn skeptisch. Heute ist sein Betrieb eine Erfolgsgeschichte: Seine zwölf Braunviehkühe leben in Mutterkuhhaltung, die Käse reifen auf Fichtenholz im Keller, entwickeln ihr spezielles Aroma. Seine nachhaltige Bewirtschaftung ist beschränkt auf das Wesentliche: Gesunder Boden gibt hochwertiges Futter, dieses ergibt gute Milch.
„Ich glaube, es ist extrem wichtig für junge Unternehmer, zu spinnen und verrückt zu sein“, hat Agethle einmal in einem Interview gesagt. Er trifft damit einen Punkt, warum Südtirol nicht nur in Sachen Kulinarik die Nase vorn hat: Qualität kommt hier vor Quantität, Eigensinn vor Profitgier. Es geht um einen respektvollen Umgang mit Tier und Natur – sogar aus Kartoffelschalen kann man etwas Köstliches zaubern, alte Fermentiertechniken wurden wiederentdeckt. In der Kargheit liegt ein immenser Reichtum, weil dann umso mehr Kreativität gefragt ist.

Kunst der Einfachheit

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 Knödelgerichte gibt es in Südtirol in jeder Form, sie sind die ideale Stärkung nach einer Wanderung. ©Alex Filz

Zu diesem Gedanken passt in gewisser Weise auch das „Hotel La Perla“ in Corvara, das auf seiner Homepage damit wirbt, was es nicht hat: keinen riesigen Wellnessbereich, keinen Wein aus Australien, keinen Marmor aus Carrara. „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“, sagt Hotelier Michil Costa, den man mit seinem extravaganten Kleidungsstil (Sakkos in möglichst knalligen Farben) eher im urbanen Raum vermuten würde. Er war Punk, schlug sich in London als DJ durch, kandidierte als Grüner fürs Europaparlament – bis er ins elterliche Hotel zurückkehrte und in den 1980ern im „La Perla“ das „La Stüa de Michil“ eröffnete, das sich seit 2002 mit einem Michelin-Stern schmückt. Diniert wird bei Kerzenschein in einer Stube aus antikem Holz.

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Alexander Agethle lässt sein Käse auf Fichtenholz im Keller reifen. © Franco Cogoli

Nach vorne schauen, aber die Vergangenheit nicht aus den Augen verlieren, diesem Motto begegnet man in Südtirol oft; sich auf seine Stärken konzentrieren und nicht andere imitieren. So wie Norbert Niederkofler, der sanfte Küchenrebell: Er hat diese Region, die mit der größten Dichte an Michelin-Sternen in ganz Italien aufwartet, früh maßgeblich geprägt. Sein Kochbuch „Cook the Mountain“ ist ein Manifest für lokale Küche und ein Bilderbuch zum Träumen, eine Reise in die Berge und zu Produzenten aus der Region.

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Im „Rifugio Fuciade“ isst das Auge mit: Speck und Gemüse aus der Region, dazu selbst gebackenes Brot. © Christian Kerber

Aber auch Roland Lamprechts Waldküche in Brixen ist spektakulär. Wo früher ein Sanatorium stand, ist heute ein Fünf-Sterne-Hideaway, das die Kunst der Einfachheit zelebriert. Das „Forestis Dolomites“ ist ein Rückzugsort inmitten der Natur, hier diniert man mit Blick auf die Dolomiten. Auf die Teller kommt, was die Wälder dieser Region hergeben: Pilze, Beeren, Kräuter, Nüsse –  alles, was Lamprecht schon als Kind mit seiner Mutter gern gesammelt hat. „Was heute in vielen Restaurants weltweit einen Hype erlebt, war für uns Südtiroler schon immer selbstverständlich“, betont er.

Es gehört zu den Genusswundern von Südtirol, dass selbst in den einfachsten Hütten grandios gegessen wird – Maso oder Rifugio heißen diese, sie sehen oft aus wie Herbergen, tischen von ausgefallenen lokalen Gerichten bis zu Haute Cuisine auf. Die Zutaten stammen aus der Region, sie sind einfach und werden doch raffiniert zubereitet. Italienischer Lebensstil setzt sich hier teils bis ins Hochgebirge fort, und jedes Tal hat lokale Besonderheiten, etwa Schlutzkrapfen mit unterschiedlichen Füllungen oder Knödel, süß oder deftig.

Einfach Gut!

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Im „Romantik Hotel und Restaurant Stafler“ hat man die Wahl zwischen bodenständigen Südtiroler Gerichten und Fine Dining auf Südtiroler Art. © Hannes-Niederkofler

Je weniger verwendet wird, desto besser müssen die Zutaten sein: Die ladinische Küche liegt im Trend, weil gerade verstärkt wiederentdeckt wird, wie gut die einstige Arme-Leute-Küche schmeckt. Das Gadertaler Gröstl ist ein perfektes Recycling-Gericht: herzhafte Zutaten, die in der Pfanne geröstet werden, dazu frische Kräuter aus dem Garten. Das „Rifugio Fuciade“  im Herzen der Dolomiten ist eines dieser Feinschmeckerparadiese – Küchenchef Martino Rossi sammelt seine Zutaten in der Umgebung, seine Speisen sind von der ladinischen Tradition geprägt, die er mit italienischen Klassikern zu Kunstwerken auf dem Teller fusioniert. Das Reduzierte und das Raffinierte, bei Martino sind das keine Gegensätze.

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Die Waldküche von Roland Lamprecht zaubert aus Beeren ein Eis, das auch im Museum stehen könnte. © beigestellt

Ähnliches gilt es über das „Hotel Villa Arnica“ in Lana zu berichten, wo alles direkt aus dem hauseigenen Garten auf die Teller wandert. Das ist regional, biologisch und Kinder sehen, woher das Essen kommt. Marmelade, Sirup und Aufstriche werden eingerext, der Garten ist eine Oase der Ruhe. Und ringsum wieder dieser typische Mix, der Südtirol so besonders macht: Weinberge, Apfelbäume und Palmen – Dolce Vita in den Bergen.

Dieser Artikel erschien in der Falstaff TRAVEL Ausgabe Südtirol Spezial 2023.

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