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London für Foodies: Zwischen Weltküche und Tradition

Vor allem in London hat sich das Klischee von der bescheidenen britischen Küche längst überlebt. Und was die Qualität und Vielfalt der hier vertretenen Weltküche betrifft, so kann wohl keine Stadt in Europa mit der britischen Hauptstadt mithalten.

12. März 2024


     

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Bald 30 Jahre ist es her, dass der Londoner Koch Fergus Henderson das „St. John“ eröffnete und damit die kulinarische Kultur seiner Heimat veränderte. Dabei war das Konzept des Restaurants eigentlich gar nicht so wahnsinnig revolutionär. „Nose-to-tail eating“, von der Schnauze bis zum Schwanz, nannte Henderson seine Philosophie, laut der das gesamte Tier zu verwerten ist. Ein Prinzip, das für etliche Köche in anderen europäischen Ländern eigentlich immer gegolten hat, im Vereinigten Königreich bis dahin aber offenbar in Vergessenheit geraten war.

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Angesagt ist das „St. John“ mit seinen puristischen weißen Wänden und Tischtüchern und den schlichten Holzstühlen jedenfalls bis heute. Und so sitzt man zwischen Einheimischen und Touristen, die auf Instagram Fotos von Gerichten posten wie Knochenmark mit Toast. Etwas, das man beispielsweise im nahen Paris in jedem Bistro findet und dort keines Fotos würdig wären. Doch so unspektakulär das Essen im „St. John“ auf den ersten Blick erscheinen mag, so überzeugend ist es in seiner Zubereitung.

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Alles hier ist fokussiert auf die Qualität der Grundprodukte und auf präzise Garzeiten. Allem voran natürlich die Innereien, die das Lokal berühmt machten. Darunter etwa eine perfekt auf den Punkt gebratene Kalbsleber, außen knusprig und mit rosa Kern, die mit saftigen Roten Rüben und einem nur leicht blanchierten Blattspinat daherkommt. Wunderbar auch die heutzutage seltenen Gerichte der klassischen englischen Küche, die es hier immer wieder gibt. Beispielsweise die etwas unglücklich benannten Faggots – Fleischklöße aus gehackten Innereien, die mit saisonalem Gemüse wie etwa frischen Favabohnen serviert werden.

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Länger noch als 30 Jahre ist es indessen her, dass London zur europäischen Metropole der internationalen Küche aufgestiegen ist. Was ursprünglich den indischen Restaurants zu verdanken ist, von denen sich hier mehr empfehlenswerte finden als irgendwo sonst westlich des Hindukusch. Kein Wunder also, dass 2001 der damalige Außenminister Robin Cook den Chicken Tikka Masala zum Nationalgericht Großbritanniens erklärte.

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Für viel Aufsehen sorgte im letzten Jahrzehnt die kleine Restaurantkette „Dishoom“, die sich auf Bombay-Küche spezialisiert. Ihre Markenzeichen sind dabei exzellente Grundzutaten, gemäßigte Preise, handgebackenes Fladenbrot und eine gehörige Portion Nostalgie. Eines ihrer Aushängeschilder ist etwa ihr legendäres Black Daal, ein 24 Stunden lang eingekochter, dementsprechend cremiger und äußerst befriedigender Linsencurry. Ein weiteres ist das Jackfruit Biryani, ein Reisgericht aus Jackfrucht, Joghurt, Rosinen und natürlich einem ganzen Feuerwerk an Gewürzen.

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Nicht nur indisch, sondern auch chinesisch isst man in London so gut wie sonst kaum wo in Europa. An der Spitze einer ganzen Reihe exzellenter Lokale, von denen sich etliche auf die jeweiligen regionalen Küchen Chinas spezialisiert haben, setzt sich das vom Guide Michelin ausgezeichnete Restaurant „A. Wong“. Küchenchef Andrew Wong hat mithilfe von Büchern, alte Schriften und einem Anthropologen ein Verkostungsmenü konzipiert, das durch alle Provinzen des Landes und seine 3000-jährige Küchengeschichte führt. Mittags gibt es traditionellerweise eine durchaus ansprechende Auswahl an Dim-Sum – gefüllte, zumeist gedämpfte und bisweilen frittierte Teigtaschen der Kantoneser Küche.

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Weit jüngeren Datums ist der Platz, den langsam, aber sicher auch die afrikanisch beeinflussten Lokale in der britischen Metropole einnehmen. Allen voran das erstaunliche „Ikoyi“ von Jeremy Chan und Iré Hassan-Odukale, dessen Name sich von einer Stadt in Nigeria ableitet. Verarbeitet werden in erster Linie hochwertige Zutaten von den Britischen Inseln, die Küchenchef Chan mit Gewürzen aus Westafrika kombiniert.

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Das Ergebnis ist ein gänzlich ungewohnter und erstaunlicher Mix an Aromen. Gute Beispiele wären Spargel mit Kochbanane und Eko (eine Art nigerianischer Reispudding) oder geräucherter Jollof-Reis (ein würziges Reisfleischgericht aus Senegal). Das alles in einem elegant-modernen und cool designten Rahmen, in dem Iré Hassan-Odukale den gleichermaßen unaufdringlichen wie aufmerksamen Service leitet.

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Aufbauend auf der Arbeit ihrer Landsleute mit Migrationshintergrund und angespornt vom Erfolg des eingangs erwähnten „St. John“ begann eine wachsende Zahl an britischen Köchen, sich mit der kulinarischen Tradition und Geschichte ihrer Heimat zu beschäftigen. Daraus entstand der Trend zum sogenannten Gastropub. Die Bezeichnung steht für ein Lokal mit dem typisch ungezwungenen Ambiente eines britischen Pubs, aber mit durchaus anspruchsvoller Küche. Vorbei sind also die Zeiten, als eine in nicht allzu altem Öl frittierte „Fisch und Fritten“-Kombination sowie eine halbwegs knusprige Fleischpastete noch das Beste war, das man sich in einem echten Pub erwarten durfte.

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Heutzutage zählt die Küche einiger Pubs zu den absoluten Highlights jedes London-Besuchs. Wie zum Beispiel jene des wunderbaren „The Harwood Arms“ nahe dem Stadion des Fußballclubs Chelsea. Spezialisiert hat man sich auf Wild, das mitunter von den Betreibern selbst erlegt wurde und nach Möglichkeit mit Gemüse aus dem eigenen Dachgarten serviert wird.

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Besonders beliebt im „The Harwood Arms“ ist der Sunday Roast, der traditionelle britische Sonntagsbraten mit Gravy, Greens und Yorkshire-Pudding, den man sowieso keinesfalls auslassen sollte, wenn man so essen möchte, wie es die Briten tun. Und sollte es dann auch noch stimmungsdienlich regnen und Nebelschwaden über die Themse ziehen, ist man wohl endgültig in London angekommen. 

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Dieser Artikel erschien in der Falstaff TRAVEL Ausgabe Winter 2023/24.

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